Mann sitzt beim Therapeuten, der seine Gelenke am Arm untersucht

Hypermobilität – Zu viel Spielraum für die Gelenke

Während manch einer schon bei leichten Dehnübungen an seine Grenzen gerät, biegen andere ihren Daumen bis zum Handgelenk oder können mit durchgestreckten Beinen problemlos den Boden berühren. Was als Partygag für Lacher oder Verwunderung sorgt, hat jedoch einen anatomischen Hintergrund: Überbeweglichkeit, im Fachjargon Hypermobilität genannt. Im Alltag kann diese zu Beschwerden bei Muskeln und Gelenken führen. Sanfte Übungen helfen, den Körper zu stabilisieren und Blockaden zu lösen!

Es gibt verschiedene Gründe, aus denen eine Hypermobilität entsteht. Zum einen ist sie genetisch bedingt und so bereits von Geburt an vorhanden. Da Kinder von Natur aus beweglicher sind, fällt die Besonderheit oft erst im Teenager- oder jungen Erwachsenenalter auf – zumeist, wenn sich erste Beschwerden wie Muskelblockaden oder Schmerzen bemerkbar machen. 
Eine andere Ursache liegt in bestimmten Erbkrankheiten, die ein schwaches Bindegewebe und instabile Gelenke nach sich ziehen. In der Folge kommt es zu einer starken Überdehnbarkeit.

In manchen Fällen ist die Überbeweglichkeit auch gewollt und sogar antrainiert: Turner und Artisten arbeiten jahrelang gezielt auf den Bewegungsspielraum der Gelenke hin. 

Festzustellen, ob eine Hypermobilität vorliegt, ist nicht immer einfach. Solange sie nicht in ausgeprägter Form auftritt, gehen die Grenzen zur normalen Beweglichkeit ineinander über und erschweren eine eindeutige Diagnose. Mediziner orientieren sich deshalb am so genannten "Beighton Score", der Punktzahlen für die Überdehnbarkeit verschiedener Gelenke angibt. Der Gesamtwert liefert schließlich konkrete Anhaltspunkte darauf, ob eine Überbeweglichkeit besteht und wie stark diese ist. 

So gibt es zum Beispiel Punkte, wenn Kniegelenk oder Ellenbogen um mehr als 10 Grad sowie der kleine Finger um mehr als 90 Grad überstreckt werden können. Die Auswertungsskala unterscheidet zwischen den Steigerungsstufen

  • nicht hypermobil
  • moderat hypermobil
  • generalisierte (allgemeine) Hypermobilität

Die Diagnose stellt in der Regel ein Orthopäde. 
 

Nicht immer „leiden“ die Betroffenen unter ihrer Hypermobilität. Solange sie mäßig ausgeprägt ist und durch Kräftigung der Muskulatur kompensiert wird, können viele von ihnen im Alltag gut damit umgehen. In einigen Fällen nimmt die Überbeweglichkeit einen konkreten Krankheitswert an – dann spricht man vom Hypermobilitätssyndrom. Die Betroffenen sind anfälliger für Verletzungen im Gelenkapparat, leiden mitunter an chronischen Schmerzen der Lenden-, Hals- oder Brustwirbelsäule und erfahren nach Belastungen teilweise lange Erschöpfungsphasen. Auch eine Neigung zu Blutergüssen oder Blutungsstörungen ist zu beobachten. Die Gefahr eines Bandscheibenvorfalls ist erhöht. 

Problematisch gestaltet sich, dass die Überbeweglichkeit oft nicht als solche erkannt wird. So schildern Patienten typische Symptome wie Verspannungen, Blockaden oder Gelenk- sowie Kopfschmerzen. Werden nur die Auswirkungen und nicht die Hypermobilität als Ursache behandelt, kehren diese immer wieder. 

Langfristig helfen "sanfte" und ganzheitliche Sportarten, welche die Muskulatur stärken, damit diese den Bändern und Gelenken mehr Stabilität geben. Sie lösen zudem auch bestehende Blockaden. Gut geeignet sind unter anderem Wassergymnastik oder Pilates. Besonders die so genannte Tiefenmuskulatur – dabei speziell der Bereich der Wirbelsäule – sollte gekräftigt werden. Dies wird z.B. durch Gleichgewichtstraining erreicht. Eine Rückenschule hilft beim Erlernen verschiedener Übungen, die mehr Halt geben. 

Auf Sportarten, die auf eine Steigerung der Flexibilität und Dehnbarkeit des Köpers abzielen, sollten Sie hingegen verzichten. So verstärkt Yoga oder Gymnastik die Überbeweglichkeit noch. Beim gezielten Muskelaufbau durch Krafttraining (z.B. mit Gewichten, Bankdrücken etc.) ist Vorsicht geboten: Hier besteht eine erhöhte Verletzungsgefahr. 
 

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